
Angst kennt jede:r. Mal als flaues Gefühl vor einem wichtigen Gespräch, mal als lähmende Welle, die aus dem Nichts kommt. Angst gehört zum Leben – und sie hat eine Funktion: Sie schützt uns.
Die Amygdala, eine mandelförmige Hirnregion tief im Gehirn, ist unser inneres Alarmsystem. Bei Gefahr reagiert sie blitzschnell – noch bevor wir bewusst verstehen, was los ist. Der Körper schaltet um: Herzfrequenz hoch, Muskeln bereit, Atem flach – Fluchtmodus aktiv. In der Steinzeit ein Überlebensvorteil, heute manchmal eine Überreaktion. Doch eines bleibt gleich: Angst ist nicht unser Feind. Sie will uns schützen.
Wann wird Angst zum Problem?
Schwierig wird es, wenn die Angst überhandnimmt: Wenn sie dazu führt, dass Prüfungen nicht angetreten, Fahrten vermieden oder nötige Arzttermine jahrelang aufgeschoben werden. Wenn sie einschränkt, lähmt, das Leben eng macht. In der Schweiz waren Angststörungen 2017 die dritthäufigste psychische Belastung – fast 15 % der Bevölkerung waren betroffen¹. Frauen trifft es doppelt bis dreimal so oft wie Männer.
Und doch: Besonders junge Menschen bleiben oft ohne Hilfe. Eine Studie der Universität Basel² zeigt, dass viele Jugendliche mit Angstsymptomen keine psychotherapeutische Unterstützung erhalten. Dabei lohnt sich Hilfe in jedem Alter – besonders, wenn Ängste oder Panikattacken den Alltag beherrschen.
Was Angehörige tun (und lassen) sollten
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Wer Sätze sagt wie:
„Reiss dich zusammen“, „Ist doch halb so wild“, „Ich hab’s ja auch geschafft“, meint es vielleicht gut – aber solche Aussagen verfehlen ihr Ziel. Sie verstärken das Gefühl, zu versagen, und untergraben das Selbstwertgefühl. Dabei braucht es für den Umgang mit Angst vor allem: Verständnis. Und konkrete Unterstützung.
Was wirklich helfen kann:
- Keinen Druck machen: Was banal wirkt, kann für Betroffene wie der Mount Everest erscheinen. Lieber gemeinsam Etappen planen: z. B. erst ein Zahnarzt-Erstgespräch statt einer sofortigen Behandlung, oder eine kurze Busstrecke statt der vollen Fahrt zur Hauptverkehrszeit.
- Coping-Strategien aktivieren: Gibt es bekannte Atem- oder Entspannungsübungen? Erinnern, gemeinsam durchführen – das schafft Halt.
- Die Angst ernst nehmen: Angst ist nicht sinnlos. Manchmal schützt sie vor etwas Tieferliegendem. Zuhören, nachfragen – ohne zu bagatellisieren.
- Nicht alles abnehmen: Überfürsorge hilft selten. Besser ist es, gemeinsam zu klären, wo Unterstützung erwünscht ist – und wo Selbstwirksamkeit möglich bleiben soll.
- Eigene Grenzen achten: Wer unterstützt, darf auch erschöpft sein. Offen aussprechen, was geht – und was nicht. Das ist fair und stärkt die Beziehung auf Augenhöhe.
Was Betroffene wissen sollten:
- Angstattacken sind nicht gefährlich, auch wenn sie sich so anfühlen. Niemand stirbt daran.
- Sie gehen vorbei. Der schlimmste Punkt ist meist nach 10 Minuten erreicht – danach klingen die Symptome langsam ab.
- Es gibt Hilfe. Gute Psychotherapie kann Ängste deutlich lindern – manchmal auch ganz auflösen.
References
1)Schuler, D., Tuch, A. & Peter, C. (2020). Psychische Gesundheit in der Schweiz. Monitoring 2020. (Obsan Bericht 15/2020). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Recieved 20230205 from www.obsan.admin.ch/de
2) Runge, A. J., Beesdo, K., Lieb, R. & Wittchen, H.-U. (2008). Wie häufig nehmen Jugendliche und junge Erwachsene mit Angststörungen eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch? Verhaltenstherapie 2008;18:26-34. doi: 10.1159/000113890 received 20230205 from https://www.karger.com/Article/Abstract/113890#
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