
Musik berührt, verbindet, erhebt – doch macht sie auch krank?
Das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik veröffentlichte Anfang Februar eine Studie, die genau diese Frage aufwarf. Der Verdacht: Musikalisch aktive Menschen könnten ein leicht erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen haben. Was steckt dahinter?
Bereits 2019 untersuchten die Forschenden rund 10’000 schwedische Zwillingspaare – sowohl Berufs- als auch Freizeitmusiker:innen¹. Sie wollten wissen, ob musikalische Aktivität ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen darstellt. Das Ergebnis: Wer musiziert, zeigte häufiger Diagnosen wie Depression, Angststörung, Schizophrenie, bipolare Störungen oder stressbedingte Erkrankungen als Nicht-Musiker:innen. Auch die subjektive Belastung wurde häufiger angegeben.
Doch: Die Studie berücksichtigte auch genetische und familiäre Einflussfaktoren. Rechnet man diese ein, zeigt sich: Nicht die Musik macht krank, sondern es sind biopsychosoziale Hintergründe, die sowohl mit psychischen Symptomen als auch mit der Affinität zur Musik in Verbindung stehen.
Ein zweiter Forschungsschritt folgte 2023². Diesmal befragte man knapp 6000 Menschen zu ihrem Gesundheitszustand und ihren kreativen, sportlichen und musikalischen Aktivitäten. Parallel dazu wurden molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse: Wer ein höheres genetisches Risiko für psychische Erkrankungen trägt, engagiert sich oft besonders stark in der Musik – und zeigt dort auch überdurchschnittliche Leistungen. Der Zusammenhang besteht also auch dann, wenn keine psychische Erkrankung vorliegt.
Anders formuliert: Musikalität und psychische Sensibilität scheinen gemeinsame genetische Wurzeln zu haben3 . Musik kann Ausdrucksmittel, Ventil oder Resonanzraum für innere Vorgänge sein – sie macht aber nicht per se krank. Im Gegenteil: In vielen Fällen wird sie bewusst zur Stabilisierung und zur emotionalen Regulation genutzt.
Die Forschenden bleiben dran: Aktuell untersuchen sie den sogenannten Flow-Zustand beim Musizieren – jenes Aufgehen im Tun, das mit positiven Emotionen und innerer Balance verbunden ist. Erste Hinweise zeigen: Dieser Zustand wirkt stabilisierend und gesundheitsfördernd. Musik bleibt also, was sie für viele längst ist: ein Ort des Ausdrucks, der Selbstwirksamkeit – und manchmal auch der Heilung.
In diesem Sinne: Lasst uns weiter fröhlich musizieren. 🎶
Referenzen
1)Wesseldiik, L., Mosing, M. A. (2023). Ist musizieren gut für unsere Psyche? Max Planck Institut für empirical aestehtics. Retrieved 20230226 from https://www.aesthetics.mpg.de/en/research/departmentof-cognitive-neuropsychology/news/news-cnp-detail/article/are-musical-activities-good-for-our-mental-health-1.html
2)Wesseldijk, L. W., Ullén, F., & Mosing, M. A. (2019). The Effects of Playing Music on Mental Health Outcomes. Scientific Reports 9, Article e12606. DOI: 10.1038/s41598-019-49099-9 retrieved 20230226 from https://www.nature.com/articles/s41598-019-49099-9
3)Wesseldijk, L. W., Lu Y., Karlsson, R., Ullén, F., & Mosing M. A. (2023). A Comprehensive Investigation into the Genetic Relationship between Music Engagement and Mental Health. Translational Psychiatry 13, Article 15. DOI: 10.1038/s41398-023-02308-6 retrieved 20230226 from https://www.nature.com/articles/s41398-023-02308-6
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