
Manchmal entstehen Texte nicht auf dem leeren Blatt, sondern aus dem, was schon da ist.
Kürzlich haben wir etwas ausporbiert:
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Nimm ein Gedicht.
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Zerschneide es (wörtlich oder im Kopf).
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Setze die Teile neu zusammen.
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Schreibe eine Antwort darauf.
Ich habe mir dafür Eduard Mörikes Gedicht „Mein Fluss“ vorgenommen. Ein klassischer, schwelgerischer Text, voller Bilder von Liebe und Natur. Daraus entstand meine „Antwort“ :
O Fluss, o Fluss
Ein schwieriges Gedicht
vor lauter Liebe trunken
Steh ich hier und weiss nicht recht
bin ich oder du betrunken?
Du badest in den Worten
und schwelgest durch die Welten.
Ein Tropfen hier,
ein Strahlen dort,
der Trieb verteilt sich ungehemmt.
O Fluss, o Fluss,
lass mich frohlockend jauchzen –
und fliess hinfort durch Flur und Wald
erwecke dort das dürst'nde Land.
Beim Schreiben habe ich gemerkt: Wenn man Worte neu zusammensetzt, beginnt man, den ursprünglichen Text anders zu hören. Das Eigene mischt sich mit dem Fremden – und plötzlich entsteht eine Art Zwiegespräch.
Mich reizt an solchen Übungen, dass sie Leichtigkeit erlauben. Man darf verspielt sein, witzig, ernst – alles zugleich. Ein Gedicht muss nicht perfekt sein, um etwas zum Schwingen zu bringen.
Vielleicht haben Sie Lust, es selbst zu versuchen:
Suchen Sie sich ein Gedicht, das Sie mögen. Schneiden Sie Sätze oder Wörter heraus, verschieben Sie die Reihenfolge, lassen Sie etwas weg, fügen Sie eine eigene Zeile hinzu.
Und dann: Antworten Sie.
-> Solche Experimente machen wir auch in der Wortwerkstatt: spielerisch, frei, immer offen für Überraschungen.
Referenz
nach einer Idee aus:
Rechenberg-Winter, P., Haussmann, R. (2015). Arbeitsbuch Kreatives Schreiben und biografisches Schreiben. Gruppen leiten. Vandenhoek und Rupprecht, Göttingen
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