Positiv denken – das klingt gut. Und ist doch oft missverstanden. Denn wer das Negative überspielt, unterdrückt nicht nur Gefühle, sondern schwächt auch die psychische Gesundheit. Was aber hilft wirklich?
Glücksmomente als Gegengewicht
Auf Instagram habe ich vorgeschlagen, sich einmal in der Woche etwas zu notieren, das einem Freude bereitet hat. Am Ende des Jahres kann man sich dann durch die Zettelchen lesen – eine einfache Übung, die kleine Glücksmomente sichtbar macht.
Aber: Positives Denken ist ein arg malträtierter Begriff.
„Man muss das Positive sehen“, höre ich oft von Klient:innen. Und jedes Mal sträuben sich meine Nackenhaare. Ich soll mich von etwas überzeugen, das ich weder glaube noch fühle?
Mittlerweile ist auch wissenschaftlich belegt: Wer schlechte Gefühle verdrängt, tut sich keinen Gefallen. Repressive Coping, also das Wegdrücken unangenehmer Emotionen, kann sogar körperlich krank machen (Mund & Mitte, 2012).
Wie also umgehen mit der Doppelladung an Gefühlen? Ich plädiere dafür, alle Gefühle wahrzunehmen – nicht nur die hellen, auch die dunklen.
Allerdings: Wir haben einen eingebauten Filter, der das Negative besonders stark gewichtet. Der sogenannte negativity bias (Baumeister et al., 2001) sorgt dafür, dass uns Kritik mehr trifft als Lob, dass ein missglückter Moment mehr wiegt als viele gute.
Das ist nicht falsch. Aber:
Wer gegensteuert, stärkt die seelische Balance.
Wer sich Schönes merkt, es notiert oder teilt, füllt bewusst die zweite Waagschale. Nicht, um das Schwere zu übertünchen – sondern um das Ganze zu sehen.
Glücksmomente sind nicht die Lösung.
Aber sie sind ein Gegengewicht.
References:
Mund, M., & Mitte, K. (2012). The costs of repression: A meta-analysis on the relation between repressive coping and somatic diseases. Health Psychology, 31(5), 640–649. https://doi.org/10.1037/a0026257
Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Finkenauer, C., & Vohs, K. D. (2001). Bad is Stronger than Good. Review of General Psychology, 5(4), 323–370. https://doi.org/10.1037/1089-2680.5.4.323
Kommentar hinzufügen
Kommentare